aus scinexx
Warum einige Infekte bei Männern schlimmer sind
Manche Erreger schonen Frauen – weil diese oft die besseren Überträger sind
Hormone allein erklären dies nicht
Aber warum? "Die gängige Theorie geht davon aus, dass die Wechselwirkung der Geschlechtshormone mit dem Immunsystem Männer anfälliger für Krankheitserreger macht als Frauen", erklären Francisco Ubeda und Vincent Jansen von der Royal Holloway University of London. Tatsächlich scheinen die weiblichen Hormone Frauen eine aktivere Abwehr zu verleihen – teilweise so aktiv, dass sie häufiger unter Autoimmunerkrankungen leiden.
Das Problem dabei: "Dieser Effekt kann zwar einige der beobachteten Geschlechtsunterschiede erklären, aber er allein liefert noch keine ausreichende Antwort", so die Forscher. So lässt sich beispielsweise nicht erklären, warum die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Infektionen nicht schon direkt nach der Pubertät auftreten, sondern erst rund ein Jahrzehnt später.
Infektion aus Erregersicht
Was aber ist dann der Grund? Um das herauszufinden, wählten Ubeda und Jansen einen ungewöhnlichen Weg: Sie versetzen sich kurzerhand in die Krankheitserreger hinein. Ihre Frage dabei: Welche Vorteile hat es für das Virus oder Bakterium, wenn es Frauen länger am Leben lässt oder bei ihnen schwächere Symptome auslöst?
Die Wissenschaftler entwickelten dafür ein epidemiologisches Modell der Infektion und Übertragung bei Männern und Frauen. Dieses berücksichtigt die Balance, die ein Erreger halten muss: Lässt er seinen Wirt zu schnell sterben, kann er sich vorher möglicherweise nicht ausreichend übertragen. Ist er aber nicht aggressiv genug, dünnt ihn das Immunsystem möglicherweise so stark aus, dass die Ansteckung anderer ebenfalls unwahrscheinlich wird.
Zusätzlicher Übertragungsweg
Für Bakterien und Viren besteht dabei ein entscheidender Unterschied zwischen Männern und Frauen, wie die Forscher entdeckten: Befällt der Erreger einen Mann, kann er andere nur über horizontalen Transfer anstecken – beispielsweise durch Anhusten, Sex oder andere Überragungswege. Anders dagegen bei einer Frau im gebärfähigen Alter: Sie kann einen Erreger auch bei der Geburt und beim Stillen an ihren Nachwuchs weitergeben.
Und genau dies könnte auch die milderen Verläufe einiger Infekte bei Frauen erklären: "Für das Pathogen macht diese zusätzliche Übertragungsroute das Leben von Wirten wertvoller, die den vertikalen Transfer erlauben", so Ubeda und Jansen. Für den Erreger ist es demnach kontraproduktiv, eine Frau zu töten, bevor diese Kinder bekommen hat und damit dem Erreger zusätzliche Übertragungswege eröffnet.
Konkret bedeutet dies: Infektionen, die ohnehin nur horizontal übertragen werden, müssten beide Geschlechter gleich treffen. Beispiele dafür sind Grippe oder Erkältungen, bei denen dies tatsächlich der Fall scheint. Krankheiten, die dagegen zusätzlich vertikal weitergegeben werden, müssten bei Frauen milder verlaufen.
HTLV-1 Virus als Testfall
Ob das der Fall ist, überprüften die Forscher am Beispiel des HTLV-1-Virus, einem Erreger, der beim Menschen adulte T-Zell-Leukämie (ATL) verursachen kann. Dieses Virus ist vor allem in der Karibik und in Japan stark verbreitet. Der entscheidende Unterschied: In der Karibik wird der Erreger fast ausschließlich durch Sex übertragen – also horizontal. In Japan jedoch infizieren sich viele Menschen schon als Kind durch das Stillen und damit durch vertikalen Transfer.
Stimmt die Theorie, müsste das Virus in der Karibik bei beiden Geschlechtern gleich häufig zu Leukämie führen, in Japan dagegen wäre ein schwerer Verlauf bei Männern häufiger. Und tatsächlich: "Japanische Männer, die sich mit HTLV-1 angesteckt haben, entwickeln zwischen 2 und 3,5 Mal häufiger Leukämie als Frauen", berichten die Wissenschaftler. In der Karibik gebe es solche Unterschiede dagegen nicht.
Nach Ansicht der Forscher belegen Modell und Beispielfall, dass Hormone nicht der einzige Grund sind, warum Männer bei einigen Infektionen schwerer erkranken als Frauen. "Stattdessen bewegen wir uns in der Debatte weg vom rein wirtszentrierten Blick hin zu einer Perspektive, die die Sicht des Pathogens einbezieht", konstatieren Ubeda und Jansen. Diese Erweiterung der Perspektive könnte auch dazu beitragen, neue Behandlungsalternativen zu finden. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms13849)
(Nature, 14.12.2016 - NPO)
Nota. - Dacht' ich's doch: Das Weib ist dem Bösen als Miterregerin dienlich und sympathisch. Sie liegen einander nahe.
JE
fengel
aus Die Presse, Wien, 14.12.2016 | 06:49 |
Warum Viren zu Männern bösartiger sind.
Frauen
haben mehr Möglichkeiten, Krankheitserreger weiterzugeben. Deshalb kann
es für Viren von Vorteil sein, wenn die von ihnen befallenen Frauen
länger leben.
Unter den Viren, die Krebs auslösen können, ist ein Retrovirus namens HTLV-1: Eine Infektion mit ihm kann in einer Form von Leukämie münden. Seltsamerweise in Japan deutlich häufiger (zwei- bis dreieinhalbmal so oft) bei Männern als bei Frauen – in der Karibik dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus der HTLV-1-Infektion Leukämie entsteht, bei den Geschlechtern gleich groß.
Wie kann das sein? Und wie kann man die Beobachtung erklären, dass manche Vireninfektionen bei Frauen harmloser verlaufen? Es wurde oft versucht, das durch Unterschiede im Immunsystem – das bei Männern ja durch Testosteron chronisch geschwächt ist – zu begründen. Francisco Úbeda von der Royal Holloway University of London schlägt in Nature Communications (13. 12.) eine andere, faszinierende, aus einem mathematischen Modell abgeleitete Antwort vor: Es liege daran, dass es für die Viren nicht egal ist, welchen Geschlechts das Wesen ist, in dem sie ihr Unwesen treiben.
Frauen – und wohl allgemein: weibliche Tiere – haben für Viren den großen Vorteil, dass sie ihnen bessere Möglichkeiten der Übertragung bieten: nämlich auf ihre Kinder. Etwa wenn sie diese, wie bei Säugetieren üblich, in ihrem Uterus heranwachsen lassen und dann an ihrer Brust nähren.
Das heißt für das Virus, das es für es von Vorteil ist, wenn die von ihm befallene Frau länger lebt und länger Zeit hat, es an ihre Kinder weiterzugeben. Anders gesagt: Die Viren, die den Frauen weniger Schaden zufügen, leben selbst länger (wenn man bei Viren von Leben reden darf) und vermehren sich besser. Noch anders gesagt: Die natürliche Selektion bevorzugt Viren, die die von ihnen befallenen Frauen schonender behandeln.
Das Prinzip „Survival of the Fittest“ gelte eben auch für Viren, erklärt Úbeda: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses geschlechtsspezifische Verhalten auch bei vielen anderen Pathogenen vorkommt. Das ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie nützlich eine evolutionäre Erklärung in der Medizin sein kann.“
Tendenz zu geringerer Virulenz
Ähnlich lässt sich z. B. erklären, warum Schnupfen meist so harmlos bleibt: Für die Schnupfenviren ist es wichtig, dass die von ihnen befallenen Menschen mobil bleiben, damit sie auf die Straße gehen können, wo sie andere Menschen anstecken können. Überhaupt tendieren Viren dazu, allmählich weniger virulent zu werden. Das gilt auch für das HI-Virus, so gibt es Hinweise darauf, dass bei Aids die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch tendenziell wächst. Auch das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe: für das Virus ein Selektionsvorteil.
Und wie erklärt man den Unterschied zwischen Japan und der Karibik? Laut Úbeda damit, dass japanische Frauen ihre Kinder öfter und länger stillen als karibische.
Nota. - Da rätseln sie noch, warum Frauen länger leben als Männer. Es ist das Florians-Prinzip: Lieber heil'ger Florian, verschon mein Haus, zünd' andre an!
Merke: Weitergeben ist gelegentlich seliger als behalten; je öfter, desto schöner.
JE
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