21.5.2016, 11:34 Uhr
49 Prozent
Liebe Lesende, das klingt doch scheusslich
Unser
Autor hat entdeckt, dass er offensichtlich sexistisch veranlagt ist:
Ausdrücke wie «Schmetterlingsforscherinnen und Schmetterlingsforscher»
bringen seinen Schreibfluss zum versiegen. Auch wenn es ihm nicht
schmeichelt, kann er damit leben.Ich bin ein Sexist. Allerdings ist mir das erst vor ein paar Wochen bewusst geworden. Eine sehr gute Freundin machte mir an einem vorerst entspannten Jassabend klar, dass sie sich von meinen Texten für diese Zeitung nicht angesprochen fühle. Der Grund: Ich verwendete in meinen Artikeln die weibliche Form meistens nicht explizit – selbst wenn Frauen mitgemeint seien. Sie monierte weiter, dass ich nicht einmal konsequent geschlechtsneutral formulierte.
Ich
muss gestehen: Die Doppelnennung der beiden Geschlechter –
«Schmetterlingsforscherinnen und Schmetterlingsforscher» – bringt meinen
Schreibfluss zum Versiegen, verklemmte Konstrukte im Stile von «die
Zuhörenden waren begeistert von den Singenden» malträtieren mein
Sprachgefühl. Und von Verrenkungen wie dem Gender-Gap in
«Verkäufer_innen» oder dem Gender-Sternchen in «d** Lese**» bin ich
intellektuell überfordert.
Stattdessen
halte ich mich an den gesunden Menschenverstand und rede zum Beispiel
von «Frauenärztinnen», weil auf dem medizinischen Fachgebiet der
Gynäkologie tatsächlich mehrheitlich Frauen tätig sind. Die Erkenntnis,
dass ich in meiner sprachlichen Ausdrucksweise offensichtlich sexistisch
veranlagt bin, schmeichelt mir nicht, aber damit kann ich leben.
In
erster Linie bin ich aber erstaunt darüber, dass solche Themen
überhaupt noch durch die Geschlechterdebatte geistern. Ich dachte, über
die normierende Kraft der Grammatik habe man in den siebziger Jahren zum
letzten Mal gestritten. Das war ein gewaltiger Irrtum: Jüngst ist es an
der Universität Bern zum Eklat gekommen, weil die Hochschule
schweizweit mit Plakaten für ihre Master-Informationstage warb, auf
denen der Slogan «Werden auch Sie Meister Ihres Fachs» zu lesen war.
Genderforscherinnen waren empört über die Verwendung der männlichen
Formulierung, die darüber hinaus mit einem japanischen Bogenschützen
illustriert war. Unglücklicherweise verstiessen die
Marketingverantwortlichen der Universität damit gegen den eigenen
«Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache», der in derselben Woche
publiziert worden war.
Ich war
auch naiv genug zu glauben, die Zeiten seien längst vorbei, wo
Unterschiede zwischen den Geschlechtern bloss soziale Konstrukte waren,
Männer als defizitäre Kategorie galten oder Väter nur einen indirekten
Wert als finanzielle Absicherung der Familie hatten. Doch noch im
letzten Oktober forderten in Deutschland während einer Aktionswoche
Dutzende von Studentinnen- und Studentenvertretungen und sogar ein
Uni-Institut in Berlin «All gender welcome Toiletten». Mit dieser
Massnahme soll die «strukturelle Gewalt durch binäre zwangsgegenderte
öffentliche Klos» gebrochen werden, wie die «Süddeutsche Zeitung»
schrieb.
Und in England
wollen Forscherinnen der University of East Anglia allen Ernstes
Gender-Stereotypen im Sport überwinden, indem sie junge Männer in
Glitzerkleidchen stecken und gemischte Cheerleading-Teams bilden. Die
ersten Erfahrungen seien positiv, so die Fachfrauen: Dem Team zuliebe
freundeten sich die Männer auch mit Tanzbewegungen an, die gemeinhin
eher als weiblich gälten.
Warum
diese Gefechte auf Nebenschauplätzen? Frauen und Männer sind nun einmal
verschieden, und das ist gut so. Tatsache ist: Die Frauen wurden jahrhundertelang unterdrückt, dann waren sie jahrzehntelang in der
Opposition, wo frau sich mit radikalen Positionen Gehör verschaffen
musste. Heute aber sind die Frauen in unterschiedlichsten Rollen in der
Gesellschaft erfolgreich, und Eigenschaften wie Flexibilität und soziale
Intelligenz sind auf dem Arbeitsmarkt gefragter denn je. Der
Geschlechterkampf mittels Sprachdoktrin und Gleichmacherei hat sich
überholt. Im dritten Jahrtausend geht es nach den Worten endlich um
Taten: um gleichen Lohn für gleiche Arbeit oder um faire Aufteilung der
Familien- und Erwerbsarbeit. Davon werden auch die
Schmetterlingsforscherinnen profitieren.
Patrick Imhasly ist Redaktor im Ressort Wissen der «NZZ am Sonntag».
Nota. - Haben sich deutsche Männer je darüber beschwert, dass sie im Plural alle die hißen und sogvar auf dem Standesamt, wo sie (!) es besser wissen müssten, mit Sie angeredet werden? Mir verursacht es täglich Seelenpein, aber mann darf ja als Mann nix sagen.
Was ist mit den EngländerN? Ein englischer man muss erst einen he-man abgeben, wenn er ident-autentisch sein will, sonst könnte er zum erzwungenen Transgender werden. Das ist doch nicht gerecht, wo bleibt da der Schutz der Minderheiten (49%)?
Ganz schlimm sind die ArabeR dran. In ihrer Sprache gibt es kein grammatisches Geschlecht, nichtmal grammatischeS Gender. Die strukturelle Gewalt einer geschlechtsneutralen Sprache erweist sich in der sprichwörtlichen Gleichstellung von Mann und und Frau (ich versuche mich zu emanpizieren; früher hätte ich Frau und Mann geschrieben) in all den Ländern, wo Allah weder männlich noch weiblich ist.
JE
Was ist mit den EngländerN? Ein englischer man muss erst einen he-man abgeben, wenn er ident-autentisch sein will, sonst könnte er zum erzwungenen Transgender werden. Das ist doch nicht gerecht, wo bleibt da der Schutz der Minderheiten (49%)?
Ganz schlimm sind die ArabeR dran. In ihrer Sprache gibt es kein grammatisches Geschlecht, nichtmal grammatischeS Gender. Die strukturelle Gewalt einer geschlechtsneutralen Sprache erweist sich in der sprichwörtlichen Gleichstellung von Mann und und Frau (ich versuche mich zu emanpizieren; früher hätte ich Frau und Mann geschrieben) in all den Ländern, wo Allah weder männlich noch weiblich ist.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen