Helferinnen der SS posieren 1944 mit SS-Obersturmführer Karl-Friedrich Höcker beim Erholungsheim Solahütte unweit des Vernichtungslagers Auschwitz.
aus Tagesspiegel.de, 26. 2. 2015
Hitlers willige Helferinnen
Von Wendy Lower
Zu den Mythen der Nachkriegszeit gehört der von der unpolitischen Frau. Nach dem Krieg sagten viele Frauen vor Gericht aus – oder erklärten in oral histories – , dass sie nur Büroangelegenheiten erledigt oder sich um die sozialen Aspekte des Alltagslebens gekümmert hätten. Sprich: um die Pflege oder um die Pflichten anderer, im Osten stationierter Deutscher.
Fast schien es, als hätten Frauen im NS-Männerstaat keine aktive Rolle gespielt – so wie das 1936 von Adolf Hitler vorgegebene Frauenbild sie an Heim und Herd verbannte. Abgesehen von einigen Ausnahmen wie Irma Grese, der „SS-Megäre“ aus Bergen-Belsen und „Hyäne von Auschwitz“, oder von Hermine Braunsteiner, der „Stute“ von Majdanek.
Diese auch in der Forschung verbreiteten Porträts aber waren Karikaturen, oftmals pornografisch verzerrt. Die starke Fokussierung auf die schlimmsten KZ-Aufseherinnen hat lange eine nuancierte Diskussion über die Beteiligung und das schuldhafte Verhalten von Frauen an den Verbrechen der NS-Zeit verhindert.
Bergen Belsen, 1945. KZ-Aufseherin Irma Grese (Mitte) wurde von einem britischen Militärgericht verurteilt und hingerichtet.
Dabei waren schon in den Prozessen der Nachkriegszeit Hunderte von Frauen als Zeuginnen geladen. Viele von ihnen waren höchst auskunftsfreudig. Die Strafverfolger interessierten sich indes in erster Linie für die Verbrechen ihrer männlichen Kollegen und Ehemänner. Ihre eigene Beteiligung wurde nicht hinterfragt. Viele wirkten bei ihren Schilderungen dessen, was sie gesehen und erlebt hatten, erstaunlich gleichgültig. So sprach eine ehemalige Kindergärtnerin von dieser „Judensache während des Zweiten Weltkrieges“. Als sie und ihre Kolleginnen 1942 die Grenze Deutschlands zu den besetzten Gebieten im Osten überquerten, habe ein NS-Beamter ihnen versichert, sie müssten keine Angst haben, wenn sie Gewehrfeuer hörten. Da würden „lediglich ein paar Juden erschossen“.
Erna Petri sprach von dem Wunsch, sich gegenüber den Männern zu profilieren
Wenn die Erschießung von Juden kein Grund zur Aufregung sein sollte, wie reagierten die Frauen, als sie auf ihrem Posten eintrafen? Schauten sie weg, wollten sie mehr sehen oder tun? Unzählige Quellen, Akten und Prozessunterlagen lassen darauf schließen, dass hunderttausende deutscher Frauen in die von den Nazis besetzten Gebiete in Osteuropa gingen: im Sozialbereich, als Sekretärinnen, Übersetzerinnen und Rotkreuzschwestern. Dort waren sie ein integraler Bestandteil von Hitlers Vernichtungsmaschinerie.
Ein Fall ist der von Erna Petri. Im United States Holocaust Memorial Museum finden sich auch Akten der früheren DDR-Staatssicherheit. Darunter sind die Vernehmungs- und Prozessprotokolle des Gerichtsverfahrens gegen Erna Petri und ihren Mann Horst, denen man vorwarf, auf ihrem Privatgrundstück im besetzten Polen Juden erschossen zu haben. Glaubhaft detailliert schilderte Erna Petri, wie die halb nackten jüdischen Jungen wimmerten, als sie ihre Pistole zückte. Als der Vernehmungsbeamte fragte, wie sie als Mutter diese Kinder habe ermorden können, sprach Petri vom Antisemitismus des Regimes und ihrem eigenen Wunsch, sich gegenüber den Männern zu profilieren.
Die Frauenfrage wurde im Nationalsozialismus neu gestellt
Hier hatte keine gesellschaftliche Außenseiterin gemordet. Erna Petri war eine ganz gewöhnliche Vertreterin einer verlorenen Generation deutscher Frauen, der Babyboomer nach dem Ersten Weltkrieg. Geboren Anfang der 1920er Jahre, wurden sie in den 30ern erwachsen. Sie wuchsen inmitten der der Unsicherheit einer galoppierenden Inflation sowie mit den verwirrenden Perspektiven der Moderne auf.
In Hitlers faschistischer Diktatur reiften sie zu einer Gründergeneration von Idealistinnen, Karrieristinnen und Revolutionärinnen des Dritten Reichs heran.
Die „Frauenfrage“ wurde in der NS-Zeit nicht beiseitegeschoben, sondern neu gestellt. Das Private wurde politisch. Der Zugriff der Bewegung reichte bis ins traute Heim: Frauen und Mädchen holte man zu öffentlichen Versammlungen und Paraden auf die Straße, sie wurden zu Arbeitseinsätzen aufs Land geschickt, sie wurden zu Marschierübungen, Hauswirtschaftskursen und medizinischen Untersuchungen und Fahnenappellen versammelt. In ihren Memoiren und in Gesprächen erzählten viele von ihren Ambitionen: „Ich wollte etwas werden“, „ich wollte mehr“ – Aussagen, die sich so oder so ähnlich immer wieder finden.
Nota. - Es ist nicht richtig, den Nationalsozialismus einfach faschischtisch zu nennen. Das ist ein Verharmlosung.
JE
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