Donnerstag, 1. September 2022

Ich bin wieder da!

 

Es ergehen Zeichen und Wunder. Nachdem es lange unzugänglich war, kann ich dieses Blog nun wieder bearbeiten. Dies ist nur ein erstes Lebenszeichen; demnächst mehr!

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JE

Freitag, 1. Juli 2022

Endlich sagt mal eine ungeschminkt die Wahheit.

Hinter der Entscheidung des Supreme Court stecken uralte Muster: Männliche Eliten fürchten um ihre Macht. Die Frauen stören da nur.

aus Gastkommentar von Franziska Schutzbach

in Süddeutsche, 30. 6. 2022 


Ich beglückwünsche die Süddeutsche zu ihrem Mut.
JE

 

Dienstag, 28. Juni 2022

Recht und öffentliche Sitte.

Rebecca Gomperts in Neue Zürcher, 25. 6. 22:

«Eine Abtreibung ist eine akzeptable Art, um zu regulieren, ob man Kinder hat oder nicht. Egal, ob man es einmal oder zehnmal macht.» 

 

Halten wir fest: Ein sozialpolitisches Thema wie vor fünfzig Jahren ist Abtreibung nicht mehr. Wer keine Kinder will, muss keine Kinder bekommen. Natürlich gibt es Sonderfälle..

Halten wir weiterhin fest: Moral ist - wie Religion - Privatsache. Was ich andern schulde - und sie mir -, regelt das Recht. Moral ist das, was ich mir selber schuldig bin, und das weiß nur ich.

Wer also aus moralischen Gründen gegen Abtreibung ist, muss sich nicht zwingen lassen. Einen andern mag er verurteilen, doch ihm sein eigenes Gesetz überhelfen darf er nicht. Und sollte es aus pragmatischen Gründen gar nicht wollen. Ein strafrechtliches Verbot schafft eine ganze Reihe von Folgeproblemen; ob es die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche senken würde, steht aber in den Sternen.

Ein ganz anderes Thema ist das öffentliche Reden über Abtreibung - und die Rolle, die poli-tische Instanzen dabei haben können.

Der eingangs zitierte Spruch der eingangs genannten Person. Er enthält die die öffentlich-moralische Gleichstellung von Abtreibung ung und Geburt.

Moralisch und öffentlich - kann das nach obigem gehen? Moral kommt von lat. mos, das bedeutet Sitte und Gewohnheit. Im Griechischen - Ethik/ethos ists dasselbe. Überall in der Welt gab es es und gibt es Sitten, die öffentlich gelten, weil so viele als für sich geltend aner-kennen. Und sie mögen sich entrüsten, wenn andere es nicht tun, und in gepflegter Sprache dürfen sie das sogar sagen. Mehr aber auch nicht - schon der Aufruf, Kliniken zu boykottieren, ist nicht legitim

Der westliche Rechtsstaat beruht auf der Fiktion des autonomen Subjekts. Wenn er direkt et-was mit Moral zu tun hat, dann dies. Es ist die Grundlage für die kategorische Scheidung zwi-schen öffentlich geltenden Recht und persönlicher Sittlichkeit.

Haben sich staatliche Instanzen also ganz aus dem Thema rauszuhalten? Nicht, wo es politisch und virtuell rechtlich von Belang ist. Der Paragraph 219a ist so ein Fall. Er stammt aus einer Zeit, als Abtreiben strafbar war. Doch davon abhängig ist er nicht. Nicht nur hat ein Staat das Recht, sondern auch die politische Pflicht, klar und deutlich festzustellen, dass in öffentlicher Wertschätzung Gebären und Kinder in die Welt einführen etwas radikal anderes ist als die eigene Familie... eben nicht zu planen, sondern nachträglich zurechtzuschneiden. Dass der § 219a gestrichen wurde, ist ein kulturelle Schande. Werben mögen sie für Botoximplantate.


 

Freitag, 24. Juni 2022

219a.

123rf

Das ist nicht einer unter tausend Strafrechtsparagraphen. Das ist eine grundlegende Aussage über das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft: ob gebären und abtreiben als gleich-wertig gelten sollen.

Ist es aber Sache des Staates, darüber zu befinden? 

Da könnte man drüber streiten - er ist ja nicht unsere Gouvernante. Auf keinen Fall aber kann man ihm die Ansage erlauben, dass es so sei; er muss schließlich als Stifter einer Rechtsord-nung glaubhaft bleiben.

 


Donnerstag, 16. Juni 2022

Wir schaffen das!


aus FAZ.NET, 16. 6. 2022

Sexualhormon Testosteron 

Warum spielen Mädchen mit Puppen, während Jungen sich balgen?
Entscheidend ist es, sich im Fortpflanzungs-Wettbewerb zu behaupten und den eigenen Genen so einen Vorteil zu verschaffen: Carole K. Hooven erläutert die Rolle des Sexualhormons Testosteron.

Von Nicola von Lutterotti

Wer sich in der heutigen Zeit mit Unterschieden zwischen den Geschlechtern befasst, begibt sich auf vermintes Terrain. Dass Männer anders aussehen als Frauen, lässt sich indes schwerlich leugnen. Schon Kleinkinder sind zu einer solchen Differenzierung in der Lage. Das äußere Erscheinungsbild ist dabei das eine, die biologischen Voraussetzungen dafür das andere. Bereits im Mutterleib wirken auf männliche Ungeborene andere Kräfte ein als auf weibliche. Anders als viele annehmen dürften, geschieht dies jedoch nicht unmittelbar, sondern ab etwa der sechsten Schwangerschaftswoche. Erst zu diesem Zeitpunkt entwickeln sich die Geschlechter in unterschiedliche Richtungen. Aus dem gleichen embryonalen Zellhaufen, dem Genitalhöcker, wachsen dann entweder Penis und Hodensäcke heran oder Klitoris und Schamlippen.

 

 

Die Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane, und nicht nur dieser, trägt die Handschrift von Testosteron – eines Hormons, das die einen mit „echten Kerlen“ verbinden, die anderen mit Aggressivität und Gewalt. Hergestellt aus dem Fettstoff Cholesterin, zieht Testosteron seit jeher echte und vermeintliche Experten in seinen Bann. So befassen sich unzählige Schriften mit diesem als typisch männlich geltenden Geschlechtshormon, das, wenngleich in deutlich geringeren Mengen, auch vom weiblichen Organismus erzeugt wird.

Der bedeutsame Einfluss der Kultur

Was den Einfluss von Testosteron auf Männer betrifft, fällt es inmitten der Kakophonie von Annahmen und Behauptungen oft schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Carole Hooven, Dozentin und Ko-Direktorin für menschliche Evolutionsbiologie an der Harvard University, ist nun angetreten, dieses Gewirr zu entflechten. In ihrem Buch „T wie Testosteron“ räumt sie mit gängigen Vorurteilen auf und versucht zugleich, einem nicht einschlägig vorgebildeten Publikum zu erläutern, wie das Sexualhormon den Körper und das Verhalten von Männern prägt und was sich die Natur dabei gedacht haben könnte. Die Tatsache, dass sie an der Harvard University über Geschlechterunterschiede und Testosteron promoviert hat, verleiht ihr dabei die nötige Autorität, um ihren Lesern und vor allem auch Leserinnen nahezulegen, selbst nicht als „woke“ geltende Einsichten zu akzeptieren oder zumindest zur Kenntnis zu nehmen – jedenfalls dann, wenn sie auf einer soliden wissenschaftlichen Basis ruhen.

Carole K. Hooven: „T wie Testosteron“. Alles über das Hormon, das uns beherrscht, trennt und verbindet. Carole K. Hooven: „T wie Testosteron“. Alles über das Hormon, das uns beherrscht, trennt und verbindet. Ullstein-Verlg

Ein Beispiel betrifft die seit Langem schwelende Debatte, ob es an der kulturellen Prägung oder an der Biologie liegt, dass Mädchen generell eher mit Puppen spielen und Jungen häufiger toben und sich balgen. Auch wenn sich diese Frage nicht mit letzter Sicherheit beantworten lässt, kann Hooven doch recht überzeugend darlegen, dass die geschlechtstypischen Beschäftigungsvorlieben von Kindern zumindest teilweise naturgegeben sind und Testosteron hierzu maßgeblich beiträgt. Zugleich versäumt sie es nicht, und das erhöht ihre Glaubwürdigkeit als Wissenschaftlerin, den bedeutsamen Einfluss der Kultur ins Spiel zu bringen.

Hierzu erwähnt sie unter anderem ein Experiment, in dem Männer und Frauen angehalten wurden, das Verhalten von drei Monate alten Babys zu beurteilen. Gingen die Versuchspersonen davon aus, dass es sich bei dem Säugling um ein Mädchen handelte – dieser in Wahrheit aber ein Junge war –, beschrieben sie dessen Verhalten auffallend oft mit Attributen, die gemeinhin als typisch weiblich gelten. Andererseits bezeichnete eine Frau ein vermeintliches Mädchen als „zufriedener und genügsamer, als es ein Junge wäre“.

Aggressive Männchen kommen bei Schimpansenweibchen besonders gut an

Um ihren Lesern die biologische Bedeutung von Testosteron nahezubringen, beschränkt sich Hooven nicht auf den Menschen. Mit unzähligen Beispielen aus dem Tierreich versucht sie vielmehr zu vermitteln, dass das Hormon in der Natur vorwiegend eine Aufgabe besitzt, nämlich männliche Vertreter einer Tierart in die Lage versetzen, sich im Fortpflanzungs-Wettbewerb zu behaupten und den eigenen Genen auf die Weise einen Vorteil zu verschaffen. Gleich zu Beginn ihres Werks schildert die Autorin hierzu eine Szene aus dem Leben von Schimpansen, die sie nachhaltig erschüttert hat. Sie sah während eines Forschungsaufenthalts in Uganda, wie ein kräftiges und besonders streitsüchtiges Männchen ein sehr viel kleineres Weibchen jäh attackierte und mit Fäusten, Stockhieben und Tritten blutig schlug.

Wie sich später zeigte, besaß der gewalttätige und von der Gruppe gefürchtete Schimpanse namens Imoso einen ungewöhnlich hohen Testosteronspiegel. Seine Brutalität gegenüber dem Weibchen hatte offenbar System. So gibt es laut der Autorin Hinweise, dass aggressive Männchen bei Schimpansenweibchen besonders gut ankommen und entsprechend viele Nachkommen zeugen. Einem größeren Publikum wurde Imoso daraufhin als „der Frauenschläger von Kibale“, so der Titel eines Beitrags im „Time Magazine“, bekannt. „Der vermenschlichende Titel hat mir Bauchschmerzen verursacht, aber die Ähnlichkeiten zwischen Imosos verstörendem Verhalten und häuslicher Gewalt unter Menschen waren nicht zu leugnen“, gibt die Entwicklungsbiologin offen zu.

Wer den Hauptakteur seiner Erzählung gleich zu Beginn in ein finsteres Licht rückt, muss erhebliche Überzeugungsarbeit leisten, um diesen anschließend zu rehabilitieren. Hooven, deren Unterricht mehrfach prämiert wurde, stellt sich dieser Aufgabe mit Verve. Didaktisch geübt, erklärt sie ihren Lesern zunächst die Methoden und Erkenntnisse relevanter wissenschaftlicher Studien. Ihr Ansinnen dabei ist es, interessierte Laien in die Lage zu versetzen, die Ergebnisse der Forschung zu verstehen und irreführende oder auch falsche Interpretationen als solche zu erkennen. Zugleich scheut sie sich nicht, Themen wie Homosexualität, Trans-Gender und Intersexualität aufzugreifen.

Gestützt auf Gespräche mit solchen Personen, schildert sie etwa, wie eine Testosteron-Therapie das Empfinden, die Sexualität und den Körper eines als Frau geborenen Trans-Mannes verändert. Zu Wort kommt unter anderem auch eine Studentin, die über ein für Männer charakteristisches Y-Chromosom verfügt, aber die Gestalt einer Frau hat und sich auch als solche fühlt. Ursächlich für die Diskrepanz zwischen dem genetischen Hintergrund und dem äußeren Erscheinungsbild der Betroffenen ist eine Unempfindlichkeit der Zellen auf Testosteron. Ihr Körper stellt das Hormon zwar her, kann dessen Signale jedoch nicht erkennen. Da die junge Frau gesund ist und sich wohl in ihrer Haut fühlt, weigert sie sich, von einer Störung zu sprechen. Nach der Lektüre von „T wie Testosteron“ dürften die meisten Leserinnen und Leser dieser Ansicht beipflichten.

Carole K. Hooven: „T wie Testosteron“. Alles über das Hormon, das uns beherrscht, trennt und verbindet. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Ullstein Verlag, Berlin 2022. 480 S., geb., 19,99 Euro.

Weichei.